The Doors of Perception
Am 9. September sollten The Doors of Perception im Hamburger Downtown Blues Club ein Konzert geben. Ich hatte mich an diesem Tag mit Jim Lizardking und dem Schriftsteller Jan-Erik Hubele verabredet, weil wir diese Band unbedingt erleben wollten. Jim Lizardking ist zwar ein großer Spezialist in Sachen Doors-Coverbands, aber diese Gruppe hatte er auch noch nie gesehen. Jan-Erik Hubele ist auch ein großer Doors-Kenner, denn er hat das Buch »Zwischen Himmel und Hölle - Jim Morrison in Paris« geschrieben. Er kennt jeden Song der Doors auswendig, und an diesem Abend war er auch schon sehr gespannt darauf, was uns auf der Bühne erwarten würde.
Der Downtown Blues Club liegt ganz idyllisch im Hamburger Stadtpark. Das Landhaus Walter ist früher ein gemütliches Ausflugs-Café gewesen. Als ich noch ein Kind war, sind meine Großeltern oft mit mir dorthin gegangen. Seit 1996 gibt es in diesem Haus den Downtown-Blues-Club, der von dem Blues-Papst Uwe Mamminga gegründet wurde. Hier spielen nationale und internationale Bluesgrößen aller Stilrichtungen und manchmal werden diese Konzerte auch im Fernsehen übertragen.
Wir standen an diesem Abend auf der Gästeliste und schlängelten uns langsam in den Saal. Der Raum wirkte edel, gemütlich und ein wenig schummrig. An den Wänden hingen große Fotografien von den jungen Beatles, die Astrid Kirchherr gemacht hatte. Hier in Hamburg wird man immer an den Star-Club erinnert, der bald wieder eröffnet werden soll. Es hatte sich schon ein kleines Publikum versammelt. Die Leute waren gut gekleidet und ich entdeckte viele intellektuell wirkende Gesichter. Unter den Wartenden, die sich in aller Ruhe einen Drink genehmigten, war auch der Gitarrist der Hamburger Doors-Coverband The Backdoors zu finden. Wir begrüßten ihn voller Freude und er erzählte uns, dass er auch sehr neugierig auf das Konzert war. Mal gucken, was die Konkurrenz so treibt.
Bald hatte sich der Saal gefüllt, das Schlagzeug und die anderen Instrumente standen einsam und verlassen auf der Bühne, denn die Band ließ auf sich warten. Aber dann betraten der Keyboarder und der Gitarrist die Bühne. Der Keyboarder hatte feine Gesichtszüge. Er hatte dunkle kurze Haare - und als er sich in voller Konzentration über die Tasten hermachte, wirkte er sehr cool und sehr geheimnisvoll. Seine Musik war magisch. Das Intro bildete einen Klangteppich, der gleich am Anfang alles ins Schweben brachte.
Der Gitarrist war blond und seine Augen leuchteten, als er die Bühne betrat. Als er zu spielen begann, war sofort klar, dass er ein Profi war. Sein Gitarrenspiel klang nicht nach Robby Krieger. Gleich am Anfang wagte er einen etwas härteren und moderneren Stil als sein Vorbild. Das interessante Gesicht des Schlagzeugers verschwand blitzschnell hinter der Schießbude und innerhalb weniger Sekunden hatte er sich warm gespielt. Das Trio versetzte das Publikum gleich am Anfang in eine leichte Trance, denn die Musiker waren voll aufeinander abgestimmt.
Und dann betrat der Sänger die Bühne. Ich war sehr erstaunt, als ich dieses ätherisch schöne Wesen mit einem Bündel brennender Räucherstäbchen vor dem Mikrofon stehen sah. Der Duft des Räucherwerks erfüllte den ganzen Raum und zauberte die Schwingung des Friedens herbei. Der Sänger erinnerte mich sofort an den ganz jungen, charmanten und völlig unverbrauchten Jim Morrison, der noch ein wenig schüchtern war. Als er zu singen begann, glaubte ich tatsächlich, ich würde mich jetzt im London Fog befinden, wo die Doors ihre ersten Konzerte gegeben hatten. Seine Stimme war ebenso warm und erotisch wie die Stimme von Jim Morrison. Es kam mir beinahe so vor, als hätte sich der ganz lichte und spirituelle Seelenanteil von Jim Morrison in diesem Sänger neu inkarniert. Seine Bewegungen waren voller Anmut und die sparsam gesetzten Gesten erinnerten an das Vorbild, als hätte er Jim Morrison jeden Morgen im Spiegel erblickt.
Als die Band den Song »Break On Through« gespielt hatte, kam das norddeutsche Publikum in Stimmung. Voller Charme lockte der Sänger die Leute nach vorne und es fiel langsam die Hemmschwelle. Bald wagten auch die älteren Zuschauer ein Tänzchen vor der Bühne. Es gab aber auch viele Zuschauer, die voller Verzückung nur lauschen wollten. Bei dem Song »Love Me Two Times« beleuchtete der Sänger den Hintergrund der Worte: Als dieser Song geschrieben wurde, mussten viele Soldaten nach Vietnam gehen. Der Sänger sprach von der imperialistischen Haltung der damaligen Regierung. Die Hippies demonstrierten dagegen. In diesem Lied ging es darum, lieber noch ein zweites Mal geliebt zu werden, denn wer konnte schon wissen, ob man sich noch einmal lieben kann, wenn der Krieg zu Ende ist. Dieses heitere Liebeslied impliziert eigentlich die Angst vor dem sinnlosen Tod! Das Hamburger Publikum war von diesen Worten sehr beeindruckt.
Der Raum füllte sich bald immer mehr und die Leute waren total begeistert, als die Gruppe voller Hingabe die leisen und wehmütigen Töne von »Soul Kitchen« und »Crystal Ship« vortrug. Bei den Songs »L.A. Woman« und »Roadhouse Blues« durfte auch einmal so richtig abgerockt werden. Die Band versteht sich auch auf den kräftigen Blues. Der Song »Moonlight Drive« erfuhr eine ganz eigene Variante, als die Band die angstvollen und schrägen Töne von »Horse Latitudes« dort mit hinein wob. Zum Schluss durften wir die wundervollen Soli in »Light My Fire« genießen. Das Gitarrenspiel und die Orgel machten beinahe schon süchtig. Ich konnte nicht genug davon bekommen. Es war auch genial, wie die Band den Song »When The Music?s Over« umsetzten konnte, ohne einen Synthesizer zu verwenden. Beim »Alabama Song« sang das Publikum kräftig mit.
Am Ende musste die Band Zugaben geben. Der Veranstalter hatte dem Sänger ein Glas Champagner in die Hand gedrückt - und dieser fragte sich nun laut, ob er sich diesen Luxus leisten dürfe, wo so viele Menschen von Harz Vier leben müssen. Aber da rief eine kräftige Stimme aus dem Publikum: »Junge, du bist hier in Hamburg!«
Ich glaube, The Doors of Perception haben das Hamburger Publikum im Sturm erobert. Jim Lizardking war total begeistert und Jan-Erik Hubele hatte mir in der Pause ins Ohr geflüstert: »Da stimmt jede Note und die Stimme des Sängers ist wirklich sehr schön.« Auch der Gitarrist der Backdoors geriet nach dem Konzert ins Schwärmen. Er unterhielt sich lange mit dem Kollegen und sie gerieten ins Fachsimpeln. Wir saßen dann noch eine Weile mit der Band zusammen. Es war wirklich ein schöner Abend, den man nicht so schnell vergisst, denn es war wirklich erbaulich, sich mit diesen freundlichen und intelligenten Menschen zu unterhalten.