Feast of Friends

Die Wolken schwebten wie sich auflösende Schleier über dem Land, als wir mit dem Auto nach Magdeburg fuhren. Die Dunkelheit brach schnell herein, denn wir waren spät losgefahren. Spät in der Nacht erreichten wir dann unsere kleine Pension, die ganz in der Nähe des Festival-Geländes lag.

Am nächsten Morgen saß ich noch allein im Frühstücksraum und beobachtete zwei junge Katzen, die um den fürstlich gedeckten Tisch flitzten. Es duftete nach frisch gebrühtem Kaffee. Bald kamen zwei junge Männer herein, die unschwer als Doors-Fans zu erkennen waren, denn sie trugen auch ein T-Shirt, auf dem Jim Morrison abgebildet war. Der Wirt kam und schenkte den Kaffee ein, auf den ich einen unbändigen Appetit hatte. Nur wenig später gesellten sich zwei weitere junge Männer zu uns, die einen sehr guten Eindruck auf mich machten. Einer dieser beiden Männer kam mir irgendwie bekannt vor. Da schwebte mir ein Bild vor Augen, das ich in einem Buch gesehen hatte. Und da wusste ich, dass Jan-Erik Hubele am Nebentisch saß. Es war der Mann, der das wunderbare Buch »Zwischen Himmel und Hölle ? Jim Morrison in Paris« geschrieben hatte. Das Buch gehört zu meinen Lieblingsbüchern und lag in meinem Wohnzimmer im Bücherregal. Ich ärgerte mich, dass ich es nicht mitgenommen hatte, denn ich hätte mich über eine Widmung sehr gefreut. Aber auf dem Tisch lagen meine Schreibutensilien. Ob er mir wohl eine kleine Widmung in meinen Block schreiben würde? Nach dem Frühstück wollte ich ihn fragen. Ein wenig später kam Jim Lizardking mit seiner Freundin Nina herein. Sie begrüßten Jan-Erik Hubele und seinen Begleiter mit großer Freude. Da wusste ich, dass ich mich nicht geirrt hatte. Es war wirklich Jan-Erik Hubele, der dort am Nebentisch saß. Mein Herz machte einen kleinen Hüpfer.

Nach dem Frühstück gingen wir nach draußen und versammelten uns an einem runden Tisch, denn die Sonne schien und wir hatten noch Zeit. Ein schöner Schäferhund machte derweil ein kleines Schläfchen unter meiner Sitzbank und ein Hahn krähte. Jan-Erik Hubele machte mir tatsächlich die große Freude, ein paar sehr schöne und liebevolle Sätze in meinen Block zu schreiben. Wir saßen noch eine Weile in gemütlicher Runde beisammen und führten anregende Gespräche. Bald begrüßten wir auch Gernot Freudenberger und seine Begleiterin. Das Gesicht von Gernot Freudenberger kannte ich von seiner Homepage, auf der seine Texte und schöne Collagen zu finden sind. Er ist ein sehr kreativer Mensch und an diesem Tag war er mit einer Kamera bewaffnet. Nach ihrer Ankunft versuchten wir ein Restaurant in der Nähe ausfindig zu machen, aber wir hatten kein Glück. Danach machten wir uns gemeinsam auf den Weg zum Festival-Gelände.

Das Gelände lag an einem kleinen See und wirkte sehr idyllisch. Wir betraten den schönen großen Platz und suchten uns eine Bank auf dem Hügel aus. Dort hatten wir die beste Aussicht auf die Bühne, die mit einer Kuppel überdacht war. Uwe Huhn begrüßte mich kurz, stürmisch und herzlich. Er hatte an diesem Tage sehr viel zu tun und ich sah ihn ständig über das Gelände flitzen. Am späten Nachmittag begannen dann die Lesungen, die mich sehr interessierten. Zuerst sprach Jan-Erik Hubele darüber, dass sein Buch »Zwischen Himmel und Hölle ? Jim Morrison in Paris « die zweite Auflage nicht mehr erleben würde. Das stimmte mich sehr traurig, denn es ist immer sehr traurig, wenn die geistigen Kinder eines Autors sterben. Aber für den Leser ist es noch trauriger. In diesem Moment wusste ich, dass mein Buch im Regal nun an Wert gewinnen würde. Danach konnte er uns aber aufheitern, weil er über ein zweites Buchprojekt sprach. Er will ein Buch über Jim Morrison in Paris schreiben, aber diesmal wechselt er die Perspektive. Er will als Erzähler in die Haut von Jim Morrison schlüpfen und dieses Unterfangen finde ich sehr spannend. Ich bin mir sicher, dass ihm dieses Buch sehr gut gelingen wird - und ich freue mich heute schon darauf, es bald in den Händen zu halten.

Kurz darauf betrat Darryl Read die Bühne und trug seine Gedichte vor. Sein Vortrag begeisterte mich so sehr, dass ich ganz aus dem Häuschen war. Seine Gedichte waren von solcher Tiefe und Schönheit, dass man es hier gar nicht beschreiben kann. Sie erinnern an die Gedichte, die Jim Morrison selbst geschrieben hat. Sie sind vielleicht nicht ganz so assoziativ, dafür aber sehr poetisch und von einer zarten Mystik durchzogen. Der wunderbare Rhythmus der Sprache sticht enorm hervor. In dieser Beziehung erinnerten mich seine Gedichte sehr an Jim Morrisons Werke - und das liegt sicher daran, dass Darryl Read auch ein Musiker ist. Er las an diesem Nachmittag auch eine Passage aus dem Buch »Wild Child In The City Of Light« von Jochen Maaßen vor. Es ist ein sehr edel aufgemachtes Buch im Hochglanzdruck. Es ist wunderschön illustriert und enthält hochinteressante Geschichten, die jeden Doors-Fan begeistern können. Danach las Hans Bezemer aus seinem Buch »Ein Schatten im Regen« vor. Eine leichte Prosa, die den Zuschauern sehr gut gefiel.

Als Darryl Read die Bühne verließ, heftete ich mich sofort an seine Fersen, um seinen Gedichtband mit dem Titel »SET« zu erwerben. Er erzählte mir, dass George Underwood die Gedichte illustriert hätte. Dieser Maler hat unter anderem auch Cover für David Bowie, Marc Bolan, Gentle Giant und The Fixx gestaltet. In dem Buch von Darryl Read wirken seine Illustrationen zauberhaft surrealistisch. Darryl Read schrieb mir eine Widmung in das Buch und erzählte mir auch, dass er schon einmal in Hamburg und Berlin gewesen sei. Er mag diese Städte. Er zeigte mir auch eine CD, die er mit Ray Manzarek zusammen gemacht hatte. Sie heißt »Freshly Dug« und ist jetzt gerade ganz neu auf den deutschen Markt gekommen. Ich habe mir diese CD inzwischen angehört und kann sie nur jedem empfehlen, der sich für Gedichte interessiert. Es ist die schönste Vertonung von Gedichten, die mir jemals untergekommen ist.

Am Abend kamen dann die Musiker auf die Bühne. Die Gruppe Kozmic Blue machte den Opener. Die Sängerin hatte eine kräftige Bluesstimme, die besonders die Männer im Publikum begeisterte. Ich sah ein kleines Kind ganz verzückt vor der Bühne tanzen, als diese Band ihre kosmischen Klänge ertönen ließ.

Die Peter S. Dodge Band brachte einen schönen Schuss Heavy Metall herein. Mir hat diese Gruppe sehr gefallen. Während sie spielten, strömten immer mehr Zuschauer herein und die Leute wagten ein kleines Tänzchen vor der Bühne. Mit den Shaman?s Blues ging der Doors-Abend dann richtig los. Ich spürte gleich am Anfang die Begeisterung im Publikum, als diese Band den Leuten bewies, wie gut eine Cover-Band sein kann. Der Sänger trug eine gestreifte Hose und sah Jim Morrison sehr ähnlich. Er hatte eine samtweiche Stimme und der Sound der Gruppe war unglaublich harmonisch. Es kam ein sehr gutes Feeling in mir auf und ich dachte: "Wenn dies der Opener für die Coverbands ist, wie kann man diesen Hörgenuss dann noch steigern?" Die Gruppe brachte gerade die leichten Lovesongs der Doors unglaublich gut rüber. Langsam strömten immer mehr Zuschauer in Richtung Bühne und die Stimmung war ausgelassen, während die Sonne langsam an Kraft verlor und bald hinter den Bäumen verschwinden wollte.

Die Lizard Kings bewiesen dann, dass eine Doors-Cover-Band hervorragend sein kann, auch wenn der Sänger nicht wie Jim Morrison aussieht. Die Stimme des Sängers war kraftvoll und akzentuiert. Die Lizard Kings lieferten ganz eigene Interpretationen der Doors-Songs ab. Auch dieser Gruppe hätte ich den ganzen Abend zuhören können. Sie hat ein hohes Niveau und wieder dachte ich: "Wie kann man denn diesen verteufelt guten Auftritt jetzt noch steigern?" Während ihres Auftritts entdeckte ich den Sänger Jason Boiler, der gerade mit seiner Band eingetroffen war. Er war ein wenig erschöpft von der Reise, denn die Gruppe hatte gerade einen Gig in Heidelberg gehabt. Leise wanderte er durch das Publikum, um ein wenig Luft zu schnappen und um sich auf seinen Auftritt einzustimmen.

Die Doors Experience waren dann auch das absolute Highlight des Abends. Inzwischen hatten sich an die tausend Menschen auf dem Gelände versammelt. Das Publikum spielte schon nach fünf Minuten verrückt, als der Sänger die Bühne betreten hatte. Die Leute waren wie hypnotisiert und erlagen der Illusion, dass Jim Morrison dort oben höchstpersönlich auf der Bühne stand. Ein wunderschönes Mädchen erstürmte die Bühne, umschlang die Hüften und die Beine des Sängers, als wäre sie die Schlange am Baum der Erkenntnis. Aber auch zwei Männer waren auf der Bühne vor ihm auf die Knie gegangen. Es war wunderbar, dass diese Band auch einige Songs von der CD »An American Prayer « auf die Bühne brachte. Der Sound war so gut, dass er vom Original nicht zu unterscheiden war. Die Musiker haben damit bewiesen, dass sie auch von den leisen Tönen der Poesie und vom Jazz etwas verstehen. Diese Band war einfach perfekt. Die Beleuchtung, das Repertoire, die Musik, die Performance, alles stimmte. Als es dann gegen Mitternacht einen heftigen Regenschauer gab, wollte niemand ins Trockene flüchten. Die Menschen tanzten immer noch in voller Verzückung wie die Derwische vor der Bühne und sangen kräftig mit. Der Auftritt dieser Band war ein unglaubliches Erlebnis. Am Ende gab es dann ein wunderbares Finale, als die Musiker sich zusammenfanden und gemeinsam Musik machten. Jason Boiler bedankte sich bei Uwe Huhn, Happy Mountain und Jim Lizardking und bei all den anderen guten Geistern, die dieses Festival zu einem großartigen Ereignis gemacht hatten.

Danach war ich ganz erschöpft von den vielen Eindrücken an diesem wundervollen Tag. Nina und ich hatten nur mit Mühe einen kleinen Imbiss am Stand ergattern können, weil er ständig von hungrigen Mäulern umringt war. Der Magen knurrte. Ich fuhr dann mit Nina in unsere kleine Pension, weil wir dringend eine Mütze Schlaf brauchten. Am nächsten Tag brachten wir Jan-Erik Hubele und seinen Begleiter zum Bahnhof. Wir tranken noch einen Kaffee zusammen und verabschiedeten uns schweren Herzens voneinander. Danach machten wir noch einen kleinen Stadtbummel durch Magdeburg und entdeckten dabei ein märchenhaftes Hundertwasser-Haus, das sich noch im Bau befindet. Außerdem war es lohnend, den Dom zu besichtigen. Dort steht eine Skulptur aus Holz von Ernst Barlach. Ich freute mich sehr, diesen Stadtbummel mit Nina und Jim gemeinsam zu machen, denn die beiden haben einen großen Sinn für Kultur. Als wir dann noch ein schönes Restaurant gefunden und gemütlich zusammen gegessen hatten, fuhren wir wieder nach Hamburg, wo uns mal wieder das Schietwetter erwartete.